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SILJA WALTER

Silja Walter wurde am 23. April 1919 als zweites von neun Kindern in Rickenbach bei Olten in die bedeutende Schriftsteller- und Verlegerfamilie Walter hineingeboren. Nach dem Lehrerinnenseminar in Menzingen (1933 –1938) studierte sie Literatur in Fribourg und Basel. Sie musste ihr Studium wegen einer lebensbedrohlichen Lungenerkrankung abbrechen. Während dieser Krankheitsphase erschien bereits ihr erster Lyrikband «Die ersten Gedichte» (1944). Im März 1948 trat Silja Walter in das Benediktinerinnenpriorat Kloster Fahr ein. Hier legte sie im Oktober 1949 ihre ersten Gelübde ab und erhielt den Ordensnamen Schwester Maria Hedwig.

 

Das Leben von Silja Walter war alles andere, als man sich das Leben einer Nonne vorstellt. Das Leben im Kloster war kein stilles Leben in Anbetung und Ruhe. Im Gegenteil: Es war für sie ein Einfügen in eine hierarchisch-menschliche Gemeinschaft, ein sich Beugen unter strenge, für die heutige Zeit unverständlich strenge Regeln. Sie selbst dazu:

«Kloster geht der Nonne nicht nur an die Haut, nicht nur ans Mark, nicht nur an ihren Verstand. Kloster geht mir zu allermeist und direkt an meinen Hochmut.»


Der Balanceakt im Spannungsfeld zwischen Glaube, Disziplin und Kreativität war herausfordernd für Silja Walter. Sie hat die Kirche, die Hierarchien innerhalb der Kirche und die Beziehung zu Gott stets hinterfragt.

«Ich muss zur Beichte. Mit Pater Jerome wird es schwierig sein. Ich habe ihn letztes Mal gebeten, aus dem Beichtstuhl herauszukommen. Ans Holzgitter hinter dem roten Behang knie ich nicht mehr. – Ich habe Pater Jerome meine Abneigung, meinen inneren Protest gegen meine bis anhin pflichtgemäss geübte Beichte bekannt. Pater Jerome schweigt. Keine Diskussion in der Beichtkappelle. Gut, habe ich gedacht. Dann muss ich mir selber eine Theologie der Beichte zurechtlegen.»


Für die Verleger-Tochter, die als junge Lyrikerin bereits in aller Munde war, galt es alles aufzugeben. Ihre Inspiration zum Schreiben blieb während drei langen Jahren aus. Trotzdem harrte die hochbegabte Schriftstellerin aus. Sie erfand sich in der Enge des geschlossenen Klosters mit ihrer verblüffend frischen, inspirierten Denkweise und Kreativität immer wieder neu.

Ihr lebenslanges, leidenschaftliches Begehren war die Suche nach dem Einswerden mit dem Absoluten, dem Göttlichen. Im Schreiben sah sie ihre Aufgabe der Aussenwelt mitzuteilen, was sie auf dieser Suche vorfindet:

«Das Schreiben ist vor allem ein Melden-Müssen. Ich muss melden, denn ich habe etwas entdeckt.»

«Es gibt das Mächtige, das Übermächtige Andere, so zart wie gar nichts, so zart, so leise wie nichts in der Welt. Auf der ganzen Erde, Sternenhimmel eingeschlossen, gibt es nichts so Leises, Denken, Fühlen und Lieben eingeschlossen, es ist noch unsäglich leiser, und doch hat es die Weltscheibe gesprengt. Am Ende gibt es am Ende nur noch das Andere. Überhaupt nur. Am Ende von allem. Wen es am Flügel trifft, der fliegt nur noch im Kreis, er geht nur noch immer rundum im Ruf, denn ausserhalb weiss er nicht mehr zu sein, das Sein ausserhalb stimmt nicht mehr. So einer muss fort. Wohin aber soll er gehen, wo es jetzt so um ihn steht?»

Silja Walter spielte theologische und säkulare Spiritualität nicht gegeneinander aus. Sie bezog sie aufeinander. Sprachbewusst suchte sie eine neue Ausdrucksform.

«Lieber nicht von Gott reden als in der alten verbrauchten Sprache.»

Sie zählt zu den Wenigen, die über die binnenkirchlichen Kreise hinaus bekannt geworden sind. 1982 sagte sie in einem viel beachteten Radio-Gespräch mit ihrem Bruder, dem Schriftsteller Otto F. Walter:

«Ich kann das Absolute nicht beschreiben. (…) Trotzdem bemühe ich mich immer wieder, einen Ausdruck dafür zu finden. (…) Ich bemühe mich um das Finden von neuen Bildern, Symbolen (…). Aber da bleibt trotzdem eine Unzulänglichkeit. Unter dieser Unzulänglichkeit, über Gott reden zu können, leide ich.»

Durch dieses Bemühen öffnet Silja Walter weite Räume, die nicht durch das Etikett «religiöse Literatur» eingeengt werden können.

Mit über 60 Werken hat Silja Walter eines der reichsten Oeuvres der Schweizer Literaturgeschichte vorzuweisen. Es umfasst nicht nur Lyrik, Prosabände und Romane, sondern auch Festspiele, Oratorien und wichtige theologische Texte.

Silja Walter wurde mehrfach ausgezeichnet, etwa mit Literatur- und Kulturpreisen der Stadt Zürich, zweimal mit Preisen für das Gesamtwerk von der Schweizerischen Schillerstiftung und mit dem Kunstpreis des Kantons Solothurn. 2011 starb Silja Walter im Kloster Fahr.

weitere Infos:  www.siljawalter.ch

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